07.11.2011

Anschaffungsfibel III - Wozu Papiere? oder: Ist meine Katze adlig??

"Wozu brauche ich Papiere, ich liebe meine Katze auch so!"

Noch einmal und ich kotze. Wie ich das HASSE!!!!
Ich bin ja SO ein Unmensch, weil ich 500€ pro Nase bezahlt hab und meine Katzen Papiere haben, vom seriösen Züchter stammen usw. Der Unglauben über diese Tatsachen überwiegt bis heute.
Kein "Schön! Gut gemacht, toll dass du so viel Wert auf die Gesundheit deiner und anderer Tiere legst!". Kein "Danke dass du keine Vermehrer und auch nicht die Ausbreitung von diversen felinen Krankheiten unterstützt hast!" Und schon gar nicht: "Super gemacht! Deine Katzen waren alt genug um von ihrer Mutter getrennt zu werden, du hältst sie nicht alleine und ernährst sie gesund! Lehrbuchhaft!"


Nein ich möchte natürlich kein Lob für den Kauf meiner Engel hören, das wäre Blödsinn.
Aber genauso wenig möchte ich noch einmal hören: "FÜNFHUNDERT EURO PRO KATZE????? Bist du krank oder so??? Du gibst allen Ernstes TAUSEND EURO für zwei Tiere aus? Bist du noch zu retten? So ein Schwachsinn, da wurdest du aber ganz schön übers Ohr gehauen!! HAHA!"
Und: "Ach Papiere, so ein Blödsinn, was bringt es dir denn, das deine Katzen adlig sind. Und dafür gibst du SO viel Geld aus. Ehrlich, dich versteh mal einer!"


X____________x


Ok. Erstmal die Theorie.

Das habe ich vor einiger Zeit im Forum an eine liebe Forine geschickt, die wissen wollte, ob ihr Halblanghaar, ohne Papiere, denn ein reinrassiger Coon wäre:

"Reinrassig ist NUR wer Papiere hat, da der Stammbaum der Rasse-Nachweis ist.
Reinrassigkeit hat demnach nichts damit zu tun, wie die Eltern und die Verwandten aussehen sondern ob die sich alle ausweisen können.

Das ist wie mit deinem Perso: Ohne ihn kannst du mir 100x erzählen, dass du Französin bist, aber ich kann es dir einfach nicht glauben, weil du es nicht beweisen kannst.


Stammbäume sind teilweise auch eine rechtliche Angelegenheit, daher wird auf "reinrassig" oder nicht viel Wert gelegt.

Eine Katze ohne Papiere ist NIEMALS reinrassig, es ist IMMER ein Mix, egal wie die Eltern aussahen oder was der Besitzer behauptet hat.
Auch eine Zuchtkatze ist zuerst ein Mix, bis man die Papiere hat. Beantragt ein Züchter niemals Papiere für einen Wurf, sind die Kitten Mixe, auch wenn die Eltern Papiere haben."



So.
Das hört man auch oft: "Nein XY-Kitty-Maus-Soundso hat keine Papiere, ist aber vom Züchter! Jaahaaa! Hat mich auch nur 200€ gekostet, MIT Papieren wäre es doppelt so viel gewesen, das wollten wir aber nicht!"


Die Beantragung von Stammbäumen kostet pro Kitten-Nase beim Verein niemals mehr als 20€ (z.B. 13€ beim Felina e.V.). Nanu? Häää?

Ganz genau.
Wo liegt denn nun die Schwierigkeit Papiere zu beantragen und seine Kitten so "reinrassig" zu machen?
Papiere kriegt man nicht einfach so vom Bürgeramt oder vom Tierarzt.
Zu aller erst muss der Züchter einem Verein angehören. Das kostet nicht mal 50€ und weniger im Jahr und hat zur Folge, dass man sich an gewisse Regeln halten muss, die an eine solche Mitgliedschaft gekoppelt sind.
Die Regeln eines Vereins sind nicht besonders schwer einzuhalten:  
ZUCHTORDNUNG BEIM FELINA e.V
Lediglich ein paar Paragraphen zu Zuchtzulassung, erlaubte und verbotene Verpaarungen, Aufzucht und Abgabe. Hindernisse? Keineswegs! Sinnlos? Oh nein!


Beispiel 1:

(stammt auf der Zuchtordnung eines einzigen Vereins und kann daher bei anderen Vereinen variieren, ist aber im Grunde alles das selbe) 
1.4. Zur Zucht dürfen nur Katzen verwendet werden, die im Zuchtbuch der "Felina"e.V. oder anderer eingetragener Vereine registriert sind, deren Besitzer Mitglied eines solchen Vereins ist und deren Ahnentafeln genetisch einwandfrei sind.


1.4.1. Es ist verboten, Katzen zu züchten, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei den Nachkommen aufgrund vererbter Merkmale Körperteile oder Organe für den artgerechten Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten können. 
(Quelle: http://www.felina-ev.de/index.php/zuchtordnung)


Heißt: Wer mit Papieren züchten will, braucht a) die Mitgliedschaft in einem Verein, b) eine Zuchtkatze mit gültigen Papieren eines Vereins und c) diese Zuchtkatze muss körperlich und genetisch einwandfrei sein, also gesund sein. Nicht zu vergessen: Die Erlaubnis mit diesem Tier zu züchten. Wurde die Katze als Liebhabertier gekauft, macht man sich u.U. STRAFBAR wenn man sie werfen lässt! DENN: Das Tier muss zur Zucht zugelassen sein! Zucht-Ausschlusskriterien werden auf dem Stammbaum vermerkt!
UND: Der Verein verlangt in den meisten Fällen ein Gesundheitszeugnis, bevor er die Stammbäume vergibt. Ein seriöser Züchter in einem seriösen Verein kann also kaum Geheimnisse vor den Käufern haben.
Hat der Käufer was zu meckern: Ab zum Verein damit und für den Züchter gibts im schlimmsten Falle einen Rausschmiss.

Weiteres:



2.1.1. Alle ab 1995 geborenen Katzen müssen, wenn sie zur Zucht eingesetzt werden sollen und das Zuchtalter erreicht haben, ihre Zuchttauglichkeit mit einer Bewertung "vorzüglich" in der offenen     Klasse auf einer Ausstellung nachweisen.      

2.1.2.  Die Zuchttauglichkeit kann auch in der Jugend-Klasse 6-9 Monate auf einer Ausstellung mit der Bewertung "vorzüglich" nachgewiesen werden. Diese gilt, nach Erreichen des Zuchtalters, nur für einen Wurf bzw Deckakt. Danach muss die Zuchttauglichkeit erneut, entsprechend Punkt 2.1.1. der Zuchtordnung  nachgewiesen werden.

2.1.3. Für alle weißen Tiere (rasseunabhängig) gilt: Zur Zuchttauglichkeit bedarf es einem formlosen Attest eines anerkannten Tierarztes, aus dem hervorgeht, dass er bei einer Untersuchung des Gehöres der betreffenden Katze keine Hörschäden erkennen konnte.  
(Quelle: http://www.felina-ev.de/index.php/zuchtordnung)


oder auch:

- Verpaarungen dürfen beim Auftreten bestimmter Mängel nicht wiederholt werden
- Geschwisterverpaarungen sind verboten, alles andere unter bestimmten Auflagen (Anzahl der Ahnen)
- Katzen dürfen niemals öfter als 3x in 2 Jahren werfen


Und GANZ wichtig:

2.8. Rassekreuzungen im Allgemeinen sind verboten.




So. Warum hat also XY-Kitty-Maus-Soundso keine Papiere? Nicht weil es sie doppelt so teuer gemacht hätte. Nein der Vermehrer müsste sich an Regeln halten, die er aber nicht einhalten kann (Keine Zuchterlaubnis, keine Papiere der Mutterkatze, gentisch nicht einwandfrei usw).

Sowas nennt man Schwarzzucht. Entweder ist er im Verein und hat keine Papiere bekommen - dann ist was gewaltig faul (Katze zu jung  zu viele Würfe, keine Zuchtzulassung, verbotene Verpaarung...). Oder er ist in keinem Verein und kann gar keine Papiere bekommen. Vereinslose Züchter sind Vermehrer usw... Auch unter den Vereinszüchtern gibt es immer wieder schwarze Schafe, daher gilt: Augen auf beim Katzenkauf!!


Wozu nun das alles?


Keine Katze ist adlig oder so. Ihr Stammbaum ist ihr Rassenachweis, eine sehr nützliche Angelegenheit.
Und ihr Stammbaum sagt aus, dass in der Regel bei ihrer Geburt, Aufzucht und Abgabe alles nach bestimmten Regeln abgelaufen ist.
Diese Regeln sind nicht umsonst aufgestellt wurden: Sie garantieren dass die danach entstandenen Tiere gesund sind, genauso wie ihre Eltern und deren Ahnen sowie Nachkommen; und zweifelsfrei einer bestimmten Rasse angehören.


Wer also sagt, dass er keinen Wert auf die Papiere seines Tieres legt, sagt nichts anderes als Folgendes:

Mir ist es egal, ob meine Katze an einer genetischen Krankheit leiden wird, so zum Beispiel HCM, PKD oder HD! Mir ist es vollkommen egal, ob meine Katze unter optimalen Umständen zur Welt gekommen ist. Mir ist es egal wie sie geboren und aufgezogen worden ist und mir ist es egal, wie es ihren Eltern dabei geht. Mir ist es egal, dass sie vielleicht nur in einem bestimmten Licht aussieht wie eine Maine Coon / Birma / BKH wasweißich, den darauf kommts mir an.

Mir ist das alles scheiß-egal - Hauptsache ist, dass sie nicht so viel gekostet hat, denn Geiz ist geil!

(ausgenommen sind Katzen aus dem Tierschutz, da gehts immerhin ums Retten und nicht ums produzieren)








Ergänzung:
"Ich will aber keine bestimmte Rassekatze, die sind eh alle krank und empfindlich, ich geh zum Bauernhof / Hauskatzen-Vermehrer und hol mir da ein von Natur aus gesundes Tierchen! Hauptsache natürlich, Zucht ist KRANK und gehört verboten!"


Au Contraire!


Seriöser Züchter bemühen sich seit Jahren um die Ausrottung diverser gentischer Krankheiten, indem sie mit zweifelsfrei gesunden Tieren züchten, deren Stammbäume Generationen über kein einziges krankes Tier mehr aufweisen. Natürlich ist es wie beim Menschen und allen anderen Tieren: Krankheiten und Behinderungen kommen immer mal vor, je nachdem ob der liebe Gott bei unserer Zeugung gut oder schlecht drauf war ;)
Ja das kann alles passieren, aber generell ist es eine verdammt gute Sache, es nicht willentlich zu verbreite.
Und so wie Queen Victoria die Hämophilie (Bluterkrankheit) über den europäischen Hochadel gebracht hat, so bringen die gemeinen Vermehrer - unabhängig davon was für Rassen oder Mixe sie produzieren - die genetischen Krankheiten unters Katzenvolk. HCM oder PKD sind nicht Rasse-gebunden. Sie kommen bei Coonies oder Persern genauso oft vor wie bei FWWs (Feld-, Wald- und Wiesenkatzen) - nein sie kommt in den seriösen Zuchten sogar weit seltener vor! 
Nur kaum ein Hauskätzchen wird im richtigen Alter auf diese Krankheiten untersucht, bzw kostspielig geschallt. Und wenn es dann stirbt, dann ganz einfach an Herzversagen/Herzfehler oder chronischer Niereninsuffizienz oder oder oder.
Und egal was es ist - es wird als der natürliche Lauf der Dinge deklariert. Nur nicht bei Rassekatzen - egal ob Schnupfen oder Heiserkeit, da hat das Tier nur weil es ganz gar fürchterlich überzüchtet ist.
Blödsinn! Wer sich vor dem Kauf erst einmal richtig informiert und einen seriösen Züchter aufsucht, der Wert auf gesunde Linien legt und jeden Gesundheitsnachweis bringen kann der verlangt wird, der wird ganz sicher kein schwer krankes, verzüchtetes, eigentlich lebensunfähiges Kätzchen erwerben. Rassekatzen sind im übrigen genauso instinktsicher wie in der Natur oder unter anderen Umständenen geborene Katzen. Auch Rassekatzen können zu begeisterten Freigängern und Jägern werden.

Jedenfalls finde ich es schade, dass nach wie vor solche blödsinnigen Vorurteile herrschen, die es den seriösen Züchtern, die sich um das Wohl von Felis silvestris catus sorgen, das Leben und ihre Arbeit erschweren. 
Denkt also beim nächsten Mal 2x nach bevor ihr irgendwelchen Müll von euch gebt, von dem ihr eigentlich keinen blassen Schimmer habt, weil ihr euch noch nie ausführlicher mit der Materie beschäftigt habt, oder weil ihr unbedingt als Tierfreund dastehen wollte oder weil euch die nette Frau von nebenan bei der letzten Spielstunde mit ihrem 5 Wochen alten FWW-Wurf diesen Blödsinn erzählt hat.




Vorurteile sind scheiße ;)



Dieser Artikel entstand mit der freundlichen Unterstützung unserer lieben Anja von den Maine Coons of Canadian Summer. 


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